Habegger mit Sitz in Regensdorf entwickelt, plant und realisiert mediale Erlebniswelten. Jährlich werden über 1500 lokale und internationale Events, Ausstellungen sowie Architekturinszenierungen umgesetzt. Im letzten Herbst entschied Verwaltungsratspräsident Simon Ackermann, in zwei völlig verschiedene Länder zu expandieren – nach Katar und Italien. Was ist der Grund für diese Expansion?
Herr Ackermann, es scheint Habegger ganz gut zu gehen, Sie expandieren nach Katar und nach Italien. Weshalb genau diese zwei Standorte?
Simon Ackermann: Aus zwei sehr unterschiedliche Motivationen. In Mailand stellen wir uns als Projektgesellschaft für die Weltaustellung Expo 2015 auf. Es geht nicht darum, in den italienischen Markt einzudringen, sondern nur um die Expo, wo zu 95 Prozent internationale Kunden ihre Pavillons errichten.
Haben Sie keinerlei Absichten, sich nach der Expo weiter in Italien zu manifestieren?
Simon Ackermann: Das lassen wir noch offen. Wenn bei der Weltausstellung sinnvolle Beziehungen eingegangen werden können, werden wir sicherlich bleiben. Es hat sich aber bisher bei jeder Weltausstellung gezeigt, dass es in den Folgejahren eine kleine Depression im Markt gibt. Sehr viele Mittel werden in die Infrastruktur gesteckt und die lokalen Mittel sind für einige Zeit ausgeschöpft.
Mit wie vielen Leuten werden Sie in Mailand operativ tätig sein?
Simon Ackermann: Das kann ich noch nicht genau sagen. Im Moment sind es vier Personen. Wir rechnen während der Bauzeit zwischen Januar und Mai damit, dass wir zwischen 50 und 150 Personen im Einsatz haben. Danach geht es um die Betreuung der Weltausstellung und auch der unzähligen kleinen Events daneben. Diese sind für uns spannend, da auch diese eine Infrastruktur brauchen und meistens sehr schnell aus der Hand organisiert werden müssen. Wir sind mit eigenem Lager und Personal vor Ort und können so sehr schnell reagieren. Die Weltausstellung verbindet so viele Ressorts – der Lokalmarkt ist dem gar nicht gewachsen. Habegger kann sowohl die Schweizer Qualität ausspielen, hat aber trotzdem einen italienischen Standort.
Werden Sie während der Weltausstellung mit anderen internationalen Firmen zusammenarbeiten?
Simon Ackermann: Wir nehmen kleine italienische Spezialisten mit ins Boot. Diese werden uns vor Ort unterstützen. Unsere Partner sind aber eigentlich die General Contractors, die Generalunternehmen, welche Pavillons bauen. Das macht es für uns einfach, denn es gibt weltweit vielleicht gerade mal 15 solche Generalunternehmen. In der Schweiz ist dies Nüssli.
Was ist der Unterschied zu Ihren Absichten in Katar?
Simon Ackermann: In Katar bauen wir langfristig etwas auf. Der Wüstenstaat hat den Entwicklungs-Masterplan „Vision 2030“ definiert. Dabei gibt es verschiedene Säulen, worauf die Kataris aufbauen. Einerseits will Katar zum Bildungs-Hub des Nahen Ostens werden. In Verbindung damit wollen die Kataris auch zum Kongress-Hub werden, also möglichst viele grosse Kongresse und Messen anziehen, was für uns sehr spannend ist. Die zweite Ebene ist der Sport. Katar will sich damit gegenüber Dubai positionieren, die eher die Tourismus-Schiene fahren. Daneben gibt es noch den politischen Aspekt. Katar will eine Art Schweiz des Nahen Ostens werden, also sehr vermittelnd sein und eine Rolle als neutraler Diplomat einnehmen. Die Fussball Weltmeisterschaft 2022 ist dabei nur ein Etappenziel in dieser „Vision 2030“. Die Liste der Events der nächsten zwei Jahre ist mit 50 internationalen Sport-Events sehr lang: Von Tennisturnieren, über Motorrad- und Velorennen bis zu Golfturnieren und der 2015 stattfindenden Handball-Weltmeisterschaft findet beinahe jede Sportart im Land statt.
Inwiefern wird mit ihrem Mehrheitsaktionär, Jassim Al Mansoori, zusammengearbeitet?
Simon Ackermann: Man muss einen katarischen Mehrheitsaktionär haben, um sich überhaupt in Katar niederlassen zu dürfen. Er ist unser lokaler Partner, der formell die Mehrheit besitzt. Operativ hat er keinen Einfluss und bekommt auch nicht die Mehrheit des Ertrages.
Er ist also die Alibi-Lösung auf dem Papier?
Simon Ackermann: Jain. In der Krise geht es schon um die Kontrolle. Wenn Habegger schlecht arbeitet, kann Mansoori jederzeit den Laden dicht machen.
Welche konkreten Aufträge hat Habegger im Wüstenstaat?
Simon Ackermann: In Katar ist es so, dass man eine sehr grosse Pipeline hat. Viele Verträge müssen noch ausgehandelt werden. Man kann dabei immer nur jeweils sehr kurzfristig sagen, ob diese auch wirklich zu Stande kommen. Oftmals bekommt man für eine Ausschreibung sehr wenig Zeit, danach passiert lange nichts, plötzlich muss dafür innerhalb Wochenfrist alles auf die Beine gestellt werden.
Das hört sich schwierig an.
Simon Ackermann: Damit muss man umgehen können. Aktuell sind wir mit der Handball-WM in Verhandlung, aber auch mit dem Komitee der Fussball-WM.
Ist die Fussball Weltmeisterschaft 2022 eines der grossen Ziele von Habegger?
Simon Ackermann: Ein Ziel, aber noch wahnsinnig weit weg. Dazu kommt man frühestens 2-3 Jahre vor der WM. Die Kataris müssen zuerst einmal die Stadien bauen. Mit den momentanen sportpolitischen Diskussionen ist gar nicht sicher, ob die WM auch wirklich in Katar stattfinden wird. Habegger hat es nicht wegen der WM nach Katar gezogen.
Was war dann der allesentscheidende Punkt, um nach Katar zu gehen? Diese Vision „2030“?
Simon Ackermann: Seit 2006 und den Summer Asian Games, dem damaligen Kick-Off dieser Vision, arbeiten wir in der Region. Wir waren mit 40 Leuten aktiv, haben diese dann aber wieder abgezogen, da anschliessend zwei sehr dürre Jahre folgten. Zwischendurch hatten wir immer wieder kleinere Aufträge, haben aber erst im letzten Jahr entschieden, dass wir fix in Katar bleiben. Katar ist ein Markt, getrieben von einer Vision, welche stark in unsere Felder spielt. Es geht um Live-Kommunikation, Events, reale Erlebnisse. Man will Leute in den Markt ziehen, aber andererseits die Lokalen ebenfalls unterhalten. Katar ist ein sehr gelangweiltes Land, den Leuten passiert zu wenig. Das Land als solches gibt nichts her, man kann es nur mit Events füllen. Das spielt uns natürlich perfekt in die Karten.
Daneben ist auch genügend Geld vorhanden.
Simon Ackermann: Es ist viel Geld vorhanden, aber sie können sehr gut wirtschaften und trennen sich nur sehr schwer vom Geld. Die Kataris haben zwar viele Mittel, investieren in Projekte, von denen man in der Schweiz die Finger lassen würde, sind mutiger, aber verteilen das Geld auch nicht willkürlich oder werfen es zum Fenster hinaus. Zudem entsteht ein grosser Preisdruck von ausländischen Firmen. Gerade libanesische Firmen machen dieselbe Arbeit wie Habegger zu einem Bruchteil. Wir sind gezwungen, unseren Qualitätsanspruch gegen unten anzupassen. Wir wollen zwar ein Premium-Dienstleister sein, können aber nicht auf das libanesische Niveau herunter.
Wie sieht der Personal-Umfang in Katar aus?
Simon Ackermann: Wir haben einen Geschäftsführer und stellen soeben zwei zusätzlich Leute ein: Einen Projektleiter und eine Assistentin, die arabisch spricht. Für Projekte fliegen wir Leute aus Europa ein. Für das Projekt zum Nationaltag im Dezember, ein Dekorationsprojekt, waren 160 Leute für Habegger im Einsatz, davon 140 Gastarbeiter aus Asien, zehn lokale Freelancer und zehn aus Europa. So funktioniert unsere Industrie – auch hier in der Schweiz. Wir haben hier 140 Festangestellte, durchschnittlich übers Jahr gesehen aber pro Tag noch etwa 80 Freischaffende.
Welche kulturellen Schwierigkeiten kommen jeweils auf Sie zu, wenn Sie sich in Katar um Projekte bewerben?
Simon Ackermann: Man muss generell sehr viel Geduld mitbringen, sehr viel „Socializen“, die Leute immer wieder treffen. Es gibt niemals einen sofortigen Entscheid wie hier in der Schweiz, wo man nach drei Minuten schon über die vertraglichen Details spricht. Es braucht viel Willen, muss jeweils einfach in die Firmen reinspazieren und den CEO verlangen. Per Telefon funktioniert gar nichts. Die Kataris sagen ungerne Nein, deshalb ist es oft schwer abzuschätzen, was sie wirklich wollen. Sie können sich auch relativ schlecht ausdrücken, sagen oft „Mach mal, stell mal was vor“. Das hat auch damit zu tun, dass die Entscheider Kataris sind. Das Problem ist, dass von den 1,8 Millionen Einwohnern in Katar nur 200‘000 Kataris sind, der grosse Rest sind Gastarbeiter. Die Kataris sind keine Berufsleute, es sind Leute aus Familien oder politisch besetzten Ämtern, grundsätzlich gut ausgebildet, aber ohne jegliche Erfahrung im Berufsalltag. Sie sind sich gewohnt zu entscheiden, zu bestellen, aber kennen die Konsequenzen nicht, können diese gar nicht einschätzen. Man muss sehr stark an den Beziehungen arbeiten, weshalb auch ich einmal pro Monat nach Katar reise. Zudem sind sie sehr hierarchisch: Der Entscheider will mit dem Chef sprechen, der Projektleiter mit dem Geschäftsleiter.
Das hört sich wiederum ziemlich anstrengend an.
Simon Ackermann: Das ist sehr anstrengend. Wenn man sich die Zeit dafür nimmt, entstehen dabei aber gute Beziehungen. Und wenn man sie einmal überzeugt hat, sind sie recht treu. Andererseits sind die Kataris auch sehr ungeduldig. Sie entscheiden immer anhand des letzten Projektes. Es nützt nichts, wenn zehn Projekte perfekt waren, das Elfte und Letzte aber nicht. Dann muss man sehen, dass man aus dem Land kommt (lacht). Man wir immer anhand des letzten Projektes gemessen, es ist überhaupt keine Toleranz vorhanden. Es gibt auch ein klares Kunden-Lieferanten-Gefälle. Wir bleiben immer Lieferanten, sind immer im Bitte-Modus. In der Schweiz ist das anders, da pflegt man gerne auch eine gute Freundschaft mit einem Geschäftspartner. Die Kataris leben derart in der Minderheit in ihrem eigenen Land, dass sie eine Art Mauer hochziehen. Man ist nur toleriert, weil man Leistung erbringt, zu denen sie selber nicht fähig sind.
Sie haben im letzten April den Export Award von Switzerland Global Enterprise erhalten. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Simon Ackermann: Das ist toll, die Jury war ausgezeichnet besetzt. Es gibt teilweise Preise, wo die Entscheidungsprozesse oftmals sehr politisch angehaucht sind. Der Export Award war ein guter und fairer Wettbewerb. Die Auszeichnung ist eine Bestätigung und ein Mut-Macher für die Firma, dass man auf einem gewissen Level mithalten kann. Es ist schön, von aussen ein Lob zu erhalten.
Herr Ackermann, Sie sind seit 2010 Verwaltungsratspräsident von Habegger und seit letztem Herbst auch Inhaber der Firma. Was hat sich für Habegger allgemein seit dem letzten Herbst verändert?
Simon Ackermann: Ich war schon länger Teilhaber. Als wir 2010 einen Nachfolger von Firmengründer Peter Habegger suchten, haben wir diese Lösung des Privat Equity Geld aus Deutschland gefunden, die damals die Mehrheit der Firma übernommen haben. Eine sehr schlechte Erfahrung, weshalb ich im letzten Frühling 2013 entschieden habe, diese Anteile wieder zurück zu kaufen. Insofern hat sich nichts verändert. Peter Habegger hat auch vor 2010 schon lange die Geschäftsführung abgegeben. Wir steuern die Firma schon sechs oder sieben Jahre mit dem aktuellen und tollen Managementteam.
Hätten Sie auch expandiert, wenn Sie diesen „Schritt zurück“ im Oktober nicht gemacht hätten?
Simon Ackermann: Es wäre sicherlich nicht alles genau gleich abgelaufen. Mit Expansions-Schritten geht man immer ein gewisses Risiko ein. Habegger ist seit letztem Herbst sicherlich mutiger geworden. Die deutschen Kollegen haben immer sehr kurzfristig gedacht. Diesem Druck wollten wir uns entziehen. Wir haben andere Perspektiven, schauen in die Zukunft, haben Pläne für die nächsten 20 Jahre und mussten uns deshalb etwas befreien.
Was hat sich für Sie persönlich verändert?
Simon Ackermann: Für mich war es sehr anstrengend. Ich habe sehr viel Zeit, sicherlich 30 Prozent, mit meinen Investoren verbracht. Nun kann ich mich auf die eigentlichen Dinge konzentrieren und deshalb ist Habegger auch so zügig vorwärts gekommen. Insofern war dieser „Schritt zurück“ eine Befreiung. Die deutschen Partner wollten Habegger schon im zweiten Jahr weiterverkaufen. Das passte uns nicht und wir zogen deshalb einen Schlussstrich. Wir sind in der besten Zeit des Lebens, haben nun 20 Jahre Erfahrung und haben weitere 20 Jahre vor uns. Das Management und die gesamte Firma ist im goldenen Zeitalter – ein guter Moment, um Gas zu geben.